Qualitativ-heuristische Psychologie und Sozialforschung Hamburg

Dialogische Introspektion

Was ist dialogische Introspektion?

Dialogische Introspektion ist ein in der Gruppe vorgenommenes systematisches Verfahren, das Erlebnisgehalte dokumentiert und einer Analyse zugänglich macht.

Introspektion (lat. Hineinschau) ist Selbstbeobachtung, Selbstbetrachtung, Selbstwahrnehmung, innere Wahrnehmung, Erinnerung. Ein ähnlicher Begriffe ist Retrospektion, Rückschau.

Dialogisch ist das Verfahren, das die TeilnehmerInnen zu einem inneren Dialog mit selbstgestellten Fragen und Antworten und damit zur Erforschung des eigenen Inneren anregt.

Systematisch ist der Ablauf, weil die Verfahren zur Förderung der Introspektion festgelegt sind und regelgeleitet angewandt werden.

Gruppe in der dialogischen Introspektion ist eine kleine Gruppe – face to face –, die zur gemeinsamen Introspektion über ein zu erforschendes Thema zusammen kommt, zumeist zwischen 5 und 15 Personen.

Erlebnisgehalte sind alle gefühlten, gedachten, gewollten Gehalte, besonders Gefühle, Affekte, Gedanken, Absichten, welche eine Person jetzt oder früher gehabt oder erfahren hat, die im Alltagsleben selten voll bewusst und in ihrer Vielfalt beachtet werden und durch das Gruppenverfahren wieder dem Erleben zugänglich gemacht werden können. Die Erlebnisgehalte können variieren von aktuellen oder sehr kurz zurückliegenden bis zu sehr lang vergangenen, von sehr flüchtigen bis zu stark verfestigten.

Instruktionen. Teilnehmer in Introspektionsgruppen werden aufgefordert, über den Gegentand der Forschung individuell zu introspizieren und die Ergebnisse reihum zu berichten in einer selbst bestimmten Ausführlichkeit und Privatheit. Dadurch regen sie andere Teilnehmer an, ihre eigenen Erlebnisse ebenfalls zu erforschen. Unter keinen Umständen sollen Diskussionen über die Aussagen anderer Teilnehmer stattfinden, weder positiv noch kritisch.

Dokumentation. Die Aussagen der teilnehmenden Personen werden zumeist durch Tonband aufgenommen, sie können durch schriftliche (private) Notizen ergänzt und erweitert werden kann.

Analyse. Die dialogische Introspektion ist nicht nur eine Methode zur Datengewinnung, sondern wird, nach unserem Vorschlag, in eine von uns praktizierte entdeckende – qualitativ-heuristische – Methodologie des Suchens und Findens eingebunden, was die Analyse der Daten auf Gemeinsamkeiten verlangt. Dabei werden Daten in ihrer alltagssprachlichen Form verwandt (qualitativ) (zum Verfahren der qualitativen Heuristik siehe www.heuristik-hamburg.net).

Methodische Weiterentwicklung. Gruppengestützte dialogische Introspektion verbindet individuelle introspektive Verfahren, wie gesprächstherapeutische und analytische Methoden mit Gruppenexperimenten oder Gruppendiskussionen (Focus Groups) mit dem Versuch, die Vorzüge dieser Ansätze zusammen zu fassen, vor allem Tiefe einerseits und Produktivität zum anderen.

Kombination von Methoden. Die gruppengestützte dialogische Introspektion kann gut mit anderen Verfahren kombiniert werden, wie Beobachtung, Experiment, Befragung, Textanalyse, besonders aber mit anderen introspektiven Verfahren, wie individuelle Introspektion und Retrospektion. Die Kombination wird ausdrücklich von der entdeckenden, qualitativ-heuristischen Methodologie nahegelegt (maximale strukturelle Variation der Perspektiven). (Siehe oben zum Literaturverweis).

Gerhard Kleining